70% der Pflegebedürftigen wünschen sich in ihrer vertrauten Umgebung gepflegt zu werden. Ein nachvollziehbarer Wunsch, der aber auch viele Konsequenzen birgt. Oftmals übernehmen die eigenen Angehörigen die Pflege, was mit einer starken Belastung einhergeht. Um pflegende Angehörige finanziell zu würdigen, gibt es seit 2010 eine Gesetzesänderung, die einen Erbanspruch bei Tod des Pflegebedürftigen vorsieht. Wer von dem Erbrecht profitiert und wie die Regelung konkret gestaltet ist, erfahren Sie hier.
Das Gesetz besagt im Wortlaut § 2057a BGB:
(1) Ein Abkömmling, der durch Mitarbeit im Haushalt, Beruf oder Geschäft des Erblassers während längerer Zeit, durch erhebliche Geldleistungen oder in anderer Weise in besonderem Maße dazu beigetragen hat, dass das Vermögen des Erblassers erhalten oder vermehrt wurde, kann bei der Auseinandersetzung eine Ausgleichung unter den Abkömmlingen verlangen, die mit ihm als gesetzliche Erben zur Erbfolge gelangen; § 2052 gilt entsprechend. Dies gilt auch für einen Abkömmling, der den Erblasser während längerer Zeit gepflegt hat.
Aus dem Gesetzestext geht hervor, dass ein pflegender Angehörige („Abkömmling“) für seine Pflegeleistungen entsprechend durch einen Erbanteil entlohnt werden kann. Er besitzt daher einen sogenannten Ausgleichsanspruch.
Nicht jeder Verwandte zählt als „Abkömmling“. Um einen Ausgleichsanspruch nach § 2057a geltend zu machen, müssen Sie zu einer der folgenden Gruppen gehören:
Kein Ausgleichsanspruch besitzen dagegen folgende Gruppen:
Die Hinzunahme eines Pflegedienstes ist kein Ausschlusskriterium für das Erbrecht. Ausschlaggebend ist, ob und wie viel Pflegemaßnahmen von Ihnen als Angehöriger zusätzlich geleistet werden mussten.
Der Ausgleichsanspruch kann nur gegen gleichwertige gesetzliche Erben (andere Abkömmlinge) gelten gemacht werden. Das heißt, dass kein Anspruch beispielsweise gegenüber dem Ehepartner des Verstorbenen besteht. Außerdem müssen die anderen Abkömmlinge tatsächlich erben, um den Ausgleich überhaupt leisten zu können.
Die Ermittlung und Höhe des Ausgleichsanspruchs ist gesetzlich nicht geregelt. Damit unterliegt sie letztendlich dem Ermessen des jeweiligen Gerichts. Anhaltspunkt kann aber die Leistung der Pflegeversicherung sein, die gezahlt worden wäre. Alles in allem muss die zu vererbende Summe in einem realistischen und angemessenen Verhältnis zum gesamten Erbe für alle „Abkömmlinge“ stehen.
Am verständlichsten ist eine Erklärung anhand eines Beispiels.
Im Testament sind 3 Söhne, 1 Tochter und der Ehemann der Verstorbenen als Erben benannt. Die Tochter hat einen Ausgleichsanspruch.
Um einen an Ihre Pflegeleistungen angemessenen Ausgleich im Erbe zu erhalten, sollten Sie von Anfang an Ihre Hilfeleistungen schriftlich festhalten. Die Führung eines Pflegetagebuchs wird dringend empfohlen. Dies ist nicht nur bei der Feststellung der Pflegestufe hilfreich, sondern erweist sich somit während der gesamten Pflegezeit als unabkömmlich.
Wenn Sie Auskunft über Ihre individuelle Situation und mehr über das Thema Erbe im Pflegefall wissen möchten, stehen wir Ihnen jederzeit zur Verfügung.