Seit dem 2. November kommt es in Deutschland wieder zu Betriebsschließungen aufgrund der steigenden Infektionszahlen. Dabei trifft es mal wieder die Gastronomie und Hotellerie. Bereits der erste Lockdown führte zu enormen Konflikten innerhalb der Betriebsschließungsversicherung (BSV). Denn viele Versicherer lehnten die Übernahme der Versicherungsleistung ab. Statt einer entsprechenden Versicherungsleistung kam es vielmehr zu Kündigungen der Policen und zu Angeboten von Vergleichen. Soweit die Kunden der Betriebsschließungsversicherung keinen Vergleich geschlossen haben, besteht aktuell die Möglichkeit, dass die Versicherungsverträge in vielen Fällen auch für die zweite Betriebsschließung wirksam fortbestehen. Worauf es jedoch bei der Wirksamkeit der Verträge für den Fall der zweiten Schließung ankommt, erfahren Sie hier.
Bei den Versicherungsverträgen einer Betriebsschließungsversicherung ist insbesondere zu unterscheiden, ob eine mehrfache Anordnung in den Bedingungen ausgeschlossen ist oder nicht. Viele Bedingungen können enthalten, dass mehrfache Anordnung aufgrund gleicher Umstände ausgeschlossen sind. aber, und, oder
Beispiel einer möglichen Bedingung:Wird eine der durch die Versicherung gedeckten Maßnahmen mehrmals angeordnet und beruhen die mehrfachen Anordnungen auf den gleichen Umständen, so wird die nach Nr. 3 zu leistende Entschädigung nur einmal zur Verfügung gestellt. -Mehrfache Anordnung
Da beide Alternativen zu einer unterschiedlichen versicherungsrechtlichen Behandlung führen, ist insbesondere zu prüfen, welche Alternative im jeweiligen Fall vorliegt.
Weitere Information zur Betriebsschließungsversicherung finden Sie hier:
Möglicherweise enthalten die Verträge zur Betriebsschließungsversicherung keine Klausel bezüglich einer mehrfachen Anordnung. Dann gilt zunächst zu prüfen, ob ein oder doch mehrere Versicherungsfälle vorliegen. So hängt es hier davon ab, ob es sich um eine Verlängerung oder Wiederholung der behördlichen Anordnungen handelt.
Grundsätzlich gelten behördliche Anordnung immer nur befristet. Denn durch solche Anordnungen werden in der Regel Grundrechte eingeschränkt, sodass eine Verhältnismäßigkeits- und Zweckmäßigkeitskontrolle erforderlich ist. Können die Anordnungen dieser Grundrechtsprüfung nicht standhalten, so sind sie als rechtswidrig zu qualifizieren. Die Unverhältnismäßigkeit müsste bei einer unbefristeten Anordnung oftmals zu bejahen sein. Deshalb werden in der Regel nur befristete Anordnungen seitens der zuständigen Behörden gewählt.
Dennoch ist im Falle einer befristeten Anordnung eine Verlängerung durchaus möglich. Sollte eine behördliche Anordnung daher gerade übergangslos verlängert werden, liegt darin formaljuristisch eine gesonderte Anordnung. Diese formale Betrachtungsweise ist aber durchaus problematisch. Denn bei der Auslegung kommt es ja gerade immer auf die Sicht des durchschnittlichen und verständigen Versicherungsnehmers an. Die formaljuristische Betrachtungsweise kann nicht entscheidend sein. Dieser Versicherungsnehmer würde gerade die übergangslose Verlängerung als einen einheitlichen Versicherungsfall qualifizieren. Denn schlussendlich wird dieser nur die ununterbrochene Schließung seines oder ihres Betriebs wahrnehmen. Folglich ist im Falle einer Verlängerung von einem einheitlichen Deckungszeitraum auszugehen.
Auch ist es möglich, dass eine behördliche Anordnung einfach wiederholt wird. Dies ist dann der Fall, wenn die Betriebsschließung zunächst beendet ist und nach einigen Monaten wiederholt wird. Das heißt es kommt nach einigen Monaten erneut zu einer Schließung des versicherten Betriebes. Fraglich ist dann, ob ein einheitlicher Versicherungsfall vorliegt oder nicht.
Für das Vorliegen eines einheitlichen Versicherungsfalls spricht in der aktuellen Situation jedenfalls, dass der Krankheitserreger sowohl im März als auch im November identisch ist und gleiches gilt auch für die Erteilung der behördlichen Anordnung. Gegen die Behandlung als einheitlichen Versicherungsfall lassen sich vor allem rechtsdogmatische Bedenken anführen. Denn der Versicherungsfall im November ist nicht die Corona-Pandemie als solche, sondern vielmehr die Schließungsanordnung des versicherten Betriebs durch die Behörde. Demnach wäre die Identität des Krankheitserregers gerade unbeachtlich.
Welcher Argumentation diesbezüglich zu Folgen ist, ist zum aktuellen Stand noch nicht abschließend geklärt und bleibt leider noch abzuwarten.
Innerhalb der Betriebsschließungsversicherung kann es auch Klauseln geben, welche die mehrfachen Anordnungen ausschließen. Dabei ist zu beachten, dass solche Ausschlussklauseln eng anzulegen sind und daher oftmals unwirksam sein können. Die Wirksamkeit wird in der Regel aber gegeben sein, wenn sich die Klauseln innerhalb der Entschädigungsberechnung oder als separate Regelung mit eigener Überschrift innerhalb des Vertrages wiederfinden.
Damit ein solcher Ausschluss greift, ist zunächst eine durch die Betriebsschließung gedeckte Maßnahme erforderlich. Wird eine Deckung beim möglichen ersten Versicherungsfall verneint, kommt es auf die Ausschlussklausel gerade nicht an. Eine Anwendung ist dann nämlich nach dem Wortlaut zu verneinen.
Damit es sich um eine Wiederholung der behördlichen Anordnung handelt, sind mehrmalige Anordnungen logischerweise erforderlich. Dabei ist keine Behördenidentität erforderlich. Das heißt es muss nicht zwingend die identische Behörde wie bei der ersten Anordnung gehandelt haben.
Weiterhin ist erforderlich, dass die mehrfachen behördlichen Anordnungen auf den gleichen Umständen beruhen. Da die gleichen Umstände nicht genauer definiert werden, ist bei der Auslegung die Perspektive eines durchschnittlichen und verständigen Versicherungsnehmers heranzuziehen. Dieser wird innerhalb der Betriebsschließungsversicherung davon ausgehen, dass es sich bei der aktuellen Situation um den gleichen Umstand handelt.
Argumente dafür sind:
Trotzdem sind die Ausschluss-Klauseln bezüglich der mehrfachen Anordnung durchaus problematisch. Denn sie enthalten keine zeitliche Limitierung. Das heißt unter den Ausschluss würde auch fallen, dass der gleiche Erreger erst viele Jahre nach der ersten Anordnung zu einer Schließung des versicherten Betriebs führt. So droht eine Aushöhlung des Versicherungszwecks aufgrund der fehlenden zeitlichen Begrenzung. Folglich wäre ein Ausschluss, dem es an einer zeitlichen Begrenzung fehlt, unwirksam.
Trotz fehlender zeitlicher Zäsur könnte sich etwas anderes ergeben, wenn man eine einschränkende Auslegung als ausreichend und anwendbar erklärt. Das heißt man würde für den jeweiligen Einzelfall eine zeitliche Limitierung durch eine entsprechende Auslegung bestimmen. Der Ausschluss würde nach dieser Ansicht nur dann eingreifen, wenn die mehrfachen behördlichen Anordnungen innerhalb des ermittelten zeitlichen Zusammenhangs erfolgen.
Welcher Ansicht jedoch hier zu Folgen ist, ist ebenfalls zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht entschieden. Es bleibt abzuwarten, wie Gerichte in einem solchen Fall entscheiden. Eine pauschale Antwort zugunsten einer Meinung kann daher zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht erfolgen.
Insgesamt gibt es bezüglich des Ausschlusses bei mehrfachen behördlichen Anordnungen innerhalb einer Betriebsschließungsversicherung noch viele ungeklärte Fragen. Im Ergebnis wird es immer auf den jeweiligen Einzelfall ankommen. Grundsätzlich empfehlen wir daher immer eine genaue Prüfung der Bedingungswerke, um festzustellen, welche Klauseln enthalten oder nicht enthalten sind. STC steht dazu mit kooperierenden Kanzleien im engen Austausch und vermitteln gerne für Sie.