Bundesweit treten in den letzten Jahren häufiger Extremwettereignisse auf, um nur ein Beispiel zu nennen: die Hochwasserkatastrophe 2021 im Ahrtal. Existenzen werden von jetzt auf gleich von Naturgewalten zerstört.
Beim Hauskauf oder Hausbau stehen viele wichtige Entscheidungen an und die benötigten Versicherungen treten oftmals in den Hintergrund. Das Haus und Grundstück gegen Brandschäden zu versichern, erscheint den meisten privaten Eigentümer*innen einleuchtend. Aber haben Sie schon einmal über eine Hochwasserversicherung oder ähnliches nachgedacht?
Flüsse und Bäche müssen nicht immer in unmittelbarer Nähe sein, um einen verheerenden Schaden anzurichten (siehe Ahrtal) und auch Erdrutsche sind wohl nicht die erste Sache, an die man denkt.
Was fällt denn eigentlich unter den Begriff Elementarschäden?
Unter Elementarschäden verstehen sich durch Unwetter hervorgerufene Schäden, wie durch Hagel, Sturm (ab Windstärke 8), Überschwemmung, Erdbeben, Starkregen, Erdbeben, Erdsenkung oder Schneedruck.
Der Bundesrat hat festgestellt, dass private Gebäude noch nicht ausreichend gegen Elementarschäden versichert sind. Bisher verfügt nur ungefähr die Hälfte der privaten Gebäudeeigentümer*innen über eine Elementarschadenversicherung.
Daher hält der Bundesrat, wie auch die Justizministerinnen und Justizminister der Länder, eine Pflicht für private Wohngebäudeeigentümer zur Versicherung gegen Elementarschäden für sinnvoll. Denn spontane staatliche Ad-hoc-Hilfen können keine langfristige Lösung sein.
Hierdurch sollen Lücken im Versorgungssystem im Fall einer Naturkatastrophe geschlossen werden.
Deshalb fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, einen konkreten bundesgesetzlichen Regelungsvorschlag zur bundesweiten Einführung einer Elementarschaden-Pflichtversicherung zu erarbeiten.
Im Rahmen des Regelungsvorschlages solle die Lage des Grundstückes und die damit verbundenen unterschiedlichen Risikostufen berücksichtigt werden, sowie eine zumutbare Belastungsgrenze für den privaten Hauseigentümer gefunden werden.
Fraglich ist jedoch, wie eine solche Pflichtversicherung rechtlich ausgestaltet werden soll und in der Praxis durchführbar ist. Es stellt sich die Frage nach dem juristischen Ob und dem Wie in der Praxis.
Im Großen und Ganzen bestehen im Fall einer Pflichtversicherung verfassungsrechtliche Bedenken. Laut Bundesrat haben die Justizminister*innen der Länder die Verfassungsmäßigkeit einer Elementarschaden-Pflichtversicherung bejaht, „insbesondere wenn substantielle Selbstbehalte oder vergleichbare Instrumente vorgesehen werden, die zu dem versicherungsinhärent zur Vermeidung von Fehlanreizen hinsichtlich der Eigenvorsorge sachgerecht erscheinen“. Demgegenüber beäugen Verbraucherschützer*innen eine Pflichtversicherung und dem damit verbundenen Kontrahierungszwang kritisch, da dies einen Grundrechtseingriff darstellen könnte.
Ein Eingriff in die negativen Vereinigungsfreiheit nach Art. 9 GG ist auszuschließen, da Gegenstand einer Versicherungspflicht für Elementarschäden die Verpflichtung zum Abschluss eines privatrechtlichen Vertrages ist. Weil weder Bestand noch die Nutzung eines Gebäudes durch eine solche Versicherungspflicht beeinträchtigt ist, kann ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 GG ebenfalls verneint werden. Zudem fällt das private Vermögen nicht unter die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG.
Zu denken ist weiter an einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 I GG, welche Bürgern*innen gewährleistet frei zu entscheiden, ob und mit wem sie einen Vertrag schließen. Bürger*innen sollen somit selbst entscheiden können, ob sie sich gegen das Risiko eines Naturereignisses versicherungsrechtlich absichern möchten. Durch eine Elementarschadenpflichtversicherung wären Bürger*innen jedoch gezwungen eine solche abzuschließen.
Der Eingriff könnte allerdings gerechtfertigt sein, wenn dies durch die verfassungsmäßige Ordnung iSv. Art. 2 I GG legitimiert ist. Denn nur weil in den Schutzbereich eines Grundrechtes eingriffen wurde, heißt dies noch nicht, dass auch gleichzeitig eine Verletzung vorliegt.
Ein Eingriff kann gerechtfertigt sein.
Die Anforderungen an die Rechtfertigung divergieren von Grundrecht zu Grundrecht.
Im Rahmen des Art. 2 I GG kann ein Eingriff durch ein Parlamentsgesetz, welches Teil der verfassungsmäßigen Ordnung ist, legitimiert werden. Hierfür müsste das Parlamentsgesetz verhältnismäßig sein. Verhältnismäßigkeit bedeutet, dass das Gesetz einem legitimen Zweck dient und hierfür geeignet, erforderlich und angemessen ist.
Legitimer Zweck einer Pflichtversicherung für Elementarschäden ist es, für unkalkulierbare Schadenssummen eine leistungsfähige Solidargemeinschaft zu schaffen. Und somit die Eigentümer*innen vor dem finanziellen Ruin zu schützen und gleichzeitig die staatlichen Mittel zu entlasten.
Im Rahmen der Angemessenheitsprüfung sei zu berücksichtigen, dass überdurchschnittlich viele Gebäudeeigentümer*innen sich nicht gegen Elementarschäden versichern und hierdurch eklatante Versorgungslücken entstehen.
Eine verpflichtende Elementarschadenversicherung stelle, wie die private Pflegeversicherung, keine unangemessene Belastung dar und schützt vor einer Gefahr, die sich bei jedem Versicherten verwirklichen kann.
Nach dem jetzigen Modellvorschlag des Bundesrates, wonach sich die Betragshöhe nach der Risikolage des zu versicherten Gebäudes richtet, kann eine verpflichtende Elementarversicherung als verfassungskonform bewertet werden.
Eine Pflichtversicherung ist den Bürger*innen nicht unbekannt: die private Pflegeversicherung (PPV) und Krankenversicherung (PKV). An diesen Modellen kann sich auch im Fall einer Elementarschaden-Pflichtversicherung orientiert werden. Denn auch im Rahmen eines Elementarschadens ist es nicht einleuchtend, weshalb die Allgemeinheit und nicht nur die Gebäudeeigentümer und die Sachversicherten für die Schäden aufkommen sollen.
Demnach sei eine Pflichtversicherung nicht nur unter sehr engen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen möglich und bedürfe auch keiner Veränderung des verfassungsrechtlichen Rahmens. Eine solche Tendenz ist ebenfalls dem BVerfG zu entnehmen, welches den sozialpolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers betont und bisher durch eine Versicherungspflicht Art. 2 I GG als nicht verletzt ansieht.
Auch die Vereinbarkeit einer verpflichtenden Elementarschadenversicherung mit europäischem Recht erscheint unbedenklich. Dies zeigt sich zum einen an dem Beispiel Frankreich und der britischen Rückversicherung für Flutschäden.
Neben juristischen Fragen stellt sich ebenfalls die Frage der praktischen Durchführung und Ausgestaltung einer Elementarschadenversicherung.
Wie kann eine Pflichtversicherung flächendeckend, sozial gerecht und risikoorientiert gestaltet werden?
Die Bundesregierung befürchtet eine zu hohe Belastung privater Hauseigentümer*innen und Mieter*innen, vor allem in Risikogebieten. Denn grundsätzlich liegt einer Versicherung der Gedanke zugrunde, dass die Kosten der Versicherung durch den Versicherungsnehmer*in (in diesem Fall Eigentümer*innen) über Prämien zu tragen sind. Dies würde bedeuten, dass Eigentümer*innen in Risikogebieten unwirtschaftliche Summen zahlen müssten.
Um dem entgegenzuwirken wird vorgeschlagen, die Kosten auf Dritte bzw. die Allgemeinheit zu übertragen. Eine solche Verlagerung der Kosten könnte jedoch auf verfassungsrechtliche Bedenken stoßen.
Der Bund der Versicherten schlägt ein kollektives Pflichtensystem mit Poollösung vor.
Die Finanzierung solle durch einen gefährdungsabhängigen Zuschlag auf die Grundsteuer finanziert werden. Dem Pflichtsystem und Zuschlag soll nicht unterlegen sein, wer eine private Elementarschadenversicherung hat.
Hierdurch sollen Risikopools auf Landesebene entstehen und im Schadensfall werden diese ausgeschüttet, bis die Rücklage aufgebraucht ist.
Ein alternativer Ansatz zu einer Versicherungspflicht könnte zunächst auch das Ergreifen von präventiven Maßnahmen sein. Beispielsweise in Form von bundesweiten Informationskampagnen über Elementarschäden und einer gesetzlichen Aufklärungspflicht seitens Versicherungsunternehmen über Elementarschadenversicherungen.
Der GdV fordert anstatt der Einführung einer Pflichtversicherung „Bauverbote in [bspw.] extrem hochwassergefährdeten Gebieten und besseren Schutz bestehender Gebäude“.
Es bleiben weitere Fragen offen. Beispielsweise wie geht man mit dem Problem der „Unversicherbarkeit“ von Extremereignissen um. Werden Versicherungsunternehmen über die Möglichkeit einer Deckelung der Schadenssumme verfügen und Versicherungsnehmer*innen laufen Gefahr, dass Selbstbehalte anfallen. Soll eine Pflichtversicherung auch im gewerblichen Bereich gelten?
Zudem besteht die Gefahr, dass eine klimaorientierte Planung in den Hintergrund rutscht.
Der Ball liegt jetzt bei der Bundesregierung. Es bleibt spannend, wie die Bundesregierung über den erweiterten Vorschlag einer Elementarpflichtversicherung entscheiden wird. Das rechtliche Ob scheint in diesem Fall das geringere Problem darzustellen. Viel wichtiger ist die Frage, wie eine gerechte und ausgeglichene Lösung in der Praxis gefunden werden kann. In der derzeitigen wirtschaftlichen Situation können Bürger*innen nicht noch zusätzlich finanziell belastet werden, indem sich Kosten für Wohnraum durch eine Pflichtversicherung deutlich erhöhen. Wünschenswert wäre ein Zusammenspiel aus ansteigenden privaten Elementarschadenversicherungen und Prävention durch die öffentliche Hand.