Das Wirtschaftsleben in Unternehmen ist durch arbeitsteilige Prozesse mit Mitarbeitern verschiedener Hierarchiestufen und technischen Systemen gekennzeichnet. Unternehmen müssen neben der Sicherheit der technischen Systeme auf die Loyalität und Ehrlichkeit ihrer Mitarbeiter und Vertragspartner vertrauen. Die Vertrauensschadenversicherung schützt Unternehmen vor finanziellen Schäden durch Vertrauensmissbrauch und ermöglicht den Risikotransfer für vorsätzlich verursachte Vermögensschäden. Diese Schäden können sowohl durch eigene Mitarbeiter als auch durch Dritte entstehen. Die Versicherung ist ausschließlich für Firmenkunden verfügbar und wird in Deutschland nur von wenigen Versicherern angeboten.
Wirtschaftskriminalität ist in jeder Branche verbreitet und zeigt trotz eines zeitweisen Anstiegs seit 2018 eine rückläufige Tendenz. Von dieser Statistik werden allerdings nur bekannte Fälle erfasst, es existiert also auch ein hohes Dunkelfeld. Täter sind oft langjährige, gebildete Mitarbeiter mittleren und oberen Managements, die interne Kontrolllücken ausnutzen. Die Tatmotive variieren von exzessivem Lebensstil bis Überschuldung. Unternehmenskomplexität, Umstrukturierungen und Internationalisierung erhöhen das Risiko, doch Compliance- und Risikomanagementprozesse können das Risiko und die Folgen verringern. Häufige Delikte sind Diebstahl, Unterschlagung und Betrug. Fälle gefälschter Finanzinformationen kommen seltener vor, sind aber mit hohem Schaden verbunden.
Die Vertrauensschadenversicherung deckt Vermögensschäden ab, die durch Vertrauenspersonen verursacht werden, welche in einem Arbeits- oder Dienstverhältnis mit dem versicherten Unternehmen stehen. Angestellter, Geschäftsführer und Zeitarbeitskräfte sind eingeschlossen. Auch Personen in arbeitnehmerähnlichen Positionen wie Reinigungs- und Sicherheitspersonal sowie IT-Dienstleister und Anwälte sind mitversichert, unabhängig von ihrem Arbeitsort. Aufgrund der Digitalisierung sind Schäden, die von Vertrauenspersonen im Home-Office oder mobil verursacht werden, ebenfalls abgedeckt. Neu hinzukommende Vertrauenspersonen werden ab Beginn ihrer Tätigkeit automatisch in den Versicherungsschutz einbezogen, ohne namentliche Nennung. Vertrauenspersonen bleiben auch nach ihrem Ausscheiden teilweise versichert, um danach fortbestehende Risiken zu minimieren. Der Versicherungsschutz erlischt spätestens zum Ende des Vertrags.
In der Praxis zeigen sich häufig Fälle kollusiven Zusammenwirkens zwischen einer Vertrauensperson und einem unternehmensfremden Dritten. Die Täter stammen also sowohl aus dem Kreis der Vertrauenspersonen als auch der Dritten. Solche Fälle führen oft zu Schäden im Zusammenhang mit vermeintlichen Vertragsbeziehungen eines Unternehmens. Beispielhaft ist die Erstellung überhöhter Rechnungen oder Rechnungen für nicht erbrachte Leistungen, die eine Vertrauensperson zur Zahlung anweist. Ebenso können überhöhte Warenmengen bestellt und geliefert werden. In diesem Fall teilen Vertrauensperson und der Dritte den Erlös.
Eine explizite Regelung des kollusiven Zusammenwirkens in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) ist nicht zwingend erforderlich. Es reicht nämlich bereits der Nachweis der vorsätzlich unerlaubten Handlung der Vertrauensperson für die Deckung, da die Vertrauensperson gemäß § 840 Abs. 1 BGB gesamtschuldnerisch für den gesamten Schaden haftet. Fehlt allerdings der Nachweis der Beteiligung einer Vertrauensperson, greift die nur Deckung für Schäden durch Dritte, die in der Regel geringer ist.
Die klassische Vertrauensschadenversicherung deckt zunächst Eigenschäden des Unternehmens, die durch Handlungen der Vertrauenspersonen entstehen. Dazu gehören Diebstahl, Unterschlagung und Veruntreuung von Firmengeldern (umgangssprachlich „der Griff in die Kasse“), fingierte Abrechnungen, Spesenbetrug sowie Schäden durch Sabotage an Maschinen, Sachbeschädigung oder Provisionsbetrug.
Haftet der Versicherungsnehmer (VN) einem Dritten gegenüber, weil eine Vertrauensperson diesem Schaden zugefügt hat (Fremdschaden), ist dies ebenfalls vom Versicherungsschutz umfasst. Beispiele sind die Veruntreuung von Kundengeldern, die der VN von einem Dritten anvertraut bekommen hat. Dieser Baustein ist insbesondere bei Banken relevant, wie bei sogenannten „Sparbuch-Schäden“, bei denen Bankmitarbeiter unberechtigt Abbuchungen von Kundenkonten vornehmen. Hier haftet die Bank nach ständiger Rechtsprechung für die Veruntreuung von Kundengeldern.
Für Schadensersatzansprüche ist das Vorliegen einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung erforderlich. Besonders relevant sind hierbei Ansprüche gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit strafrechtlichen Schutzgesetzen wie § 242 (Diebstahl), § 246 (Unterschlagung), § 263 (Betrug) und § 267 (Urkundenfälschung) StGB.
Seit 2013 decken die Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) teilweise auch Vermögensschäden ab, die durch eine wissentliche Pflichtverletzung einer Vertrauensperson verursacht werden. Dazu muss der Schadenverursacher die Pflicht positiv kennen und trotz dieses Bewusstseins gegen die Pflicht handeln. Dadurch schließt die Vertrauensschadenversicherung eine Deckungslücke für den Versicherungsnehmer, da solche Schäden von der Vermögensschadenhaftpflicht- und D&O-Versicherung üblicherweise ausgeschlossen sind. Allerdings erfolgt die Mitversicherung in der Regel mit begrenzten Deckungssummen und besonderen Voraussetzungen. Grund dafür sind die üblicherweise eingeschränkten Regressmöglichkeiten gegenüber dem Schadenverursacher, insbesondere im Kontext der Arbeitnehmerhaftung.
Neben dem primären Fokus auf die Absicherung von Vermögensschäden durch vorsätzliche Handlungen bieten einige Versicherer im Rahmen der Vertrauensschadenversicherung auch ergänzende Deckungen an. Über die Zusatzdeckung F (fahrlässiges Handeln) sowie die Zusatzdeckung O (ohne Verschulden) können beispielsweise auch Vermögensschäden abgesichert werden, die durch fahrlässiges Handeln oder gar ohne Verschulden durch Vertrauenspersonen entstehen. Angesichts der Abweichung vom grundlegenden Element der Vertrauensschadenversicherung (vorsätzliches Handeln) sowie der teils bestehenden Deckungsüberschneidung insbesondere zur Vermögensschadenhaftpflichtversicherung geraten diese Zusatzdeckungen seit Jahren zunehmend in den Hintergrund und werden zudem meist nur mit vergleichsweise niedrigen Versicherungssummen angeboten.
Versicherungsschutz besteht für Schäden durch die Weitergabe vertraulicher Informationen durch Vertrauenspersonen. Gemäß § 2 Nr. 1 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) umfasst der Begriff des Geschäftsgeheimnisses auch "Know-how" und "Betriebsgeheimnis". Ein Geschäftsgeheimnis liegt vor, wenn der rechtmäßige Inhaber ein berechtigtes Interesse hat und angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen trifft. Ohne diese Maßnahmen liegt kein Geschäftsgeheimnis im Sinne des Gesetzes. Was der Gesetzgeber unter angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen versteht, wird nicht klar definiert. Dies hängt von der Art des Geschäftsgeheimnisses und dessen Nutzung ab und kann physische oder vertragliche Maßnahmen umfassen. Nach der Rechtsprechung ist etwa die allgemeine Geheimhaltungsvereinbarung mit einem Mitarbeiter nicht ausreichend. Die Prüfung erfolgt vielmehr einzelfallbezogen.
Der Versicherungsnehmer muss den Vermögensschaden nachweisen, der durch die Verletzung des Geschäftsgeheimnisses entstanden ist. In der Regel ist auch der entgangene Gewinn als Schaden versichert. Anhaltspunkte für die Schadensbemessung bieten §§ 10, 11 GeschGehG, wonach der Schaden sich nach dem Gewinn des Rechtsverletzers oder einer angemessenen Lizenzgebühr bemessen kann.
Die Regelungen des GeschGehG sind jedoch nur für dort prägend, wo die AVB des Versicherers keine eigenen Definitionen für den Versicherungsschutz von Geschäftsgeheimnissen beinhalten. Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse werden nämlich von manchen Versicherern auch in Abweichung von der gesetzlichen Regelung des GeschGehG vertraglich definiert, sodass besondere Aufmerksamkeit bzw. die Einholung professioneller Beratung bei der Auswahl der Police ratsam ist.
Die Vertrauensschadenversicherung zielt darauf ab, potenzielle Deckungslücken zu schließen, die bei traditionellen Haftpflicht- und Sachversicherungen bestehen können. Bei einem Vermögensschaden kann es dabei unklar sein, unter welcher Versicherung dieser fällt. Deshalb empfiehlt es sich, den Schaden vorsorglich bei beiden Versicherungen zu melden, um den Versicherungsschutz nicht zu verlieren. Diese Praxis kann jedoch zu Mehrfachversicherungen führen, gemäß §§ 77 ff. VVG, was die Versicherer durch spezifische Ausschlüsse oder allgemeine Subsidiaritätsklauseln zu vermeiden suchen.
Im Speziellen können Abgrenzungsfragen zwischen Vertrauensschaden- und anderen Versicherungen wie D&O- oder Betriebshaftpflichtversicherungen entstehen, wenn etwa ein Organmitglied als Vertrauensperson agiert und gleichzeitig über eine D&O-Versicherung versichert ist. Probleme bei der Abgrenzung treten auf, wenn durch vorsätzliche oder grob fahrlässige Handlungen eines Organmitgliedes Schäden verursacht werden, die unter Umständen von mehr als einer Versicherung abgedeckt werden könnten.
Die Vertrauensschadenversicherung spielt eine zunehmende Rolle in Ergänzung zur D&O-Versicherung, um die Interessen und das Vermögen des Versicherungsnehmers zu schützen. Die D&O-Versicherung deckt Vermögensschäden ab, die durch pflichtwidrige Handlungen der Unternehmensorgane entstehen, wobei vorsätzliche Handlungen ausgeschlossen sind. Im Gegensatz dazu deckt die Vertrauensschadenversicherung gezielt Schäden ab, die durch vorsätzliche Handlungen von Mitarbeitern oder Dritten verursacht werden, und schließt somit eine wesentliche Deckungslücke der D&O-Versicherung. Diese spezifische Versicherung bietet zudem einen Schutz für die D&O-Versicherung selbst, indem sie die Inanspruchnahme der D&O bei Schäden durch Vertrauenspersonen, wie das Anlegen einer „schwarzen Kasse“, vermeiden oder verringern kann.
Die Umsetzung von Vorgaben des Deutschen Corporate Governance Kodex und gesetzlichen Pflichten, wie die Implementierung eines angemessenen Risiko- und Kontroll-Managements gemäß relevanten gesetzlichen Bestimmungen, wie etwa § 130 Abs. 1 OWiG, § 43 Abs.1 GmbHG, § 93 Abs.1 AktG, unterstreicht die Wichtigkeit des Abschlusses einer Vertrauensschadenversicherung für Unternehmenslenker. Obwohl derzeit keine allgemeine Pflicht zum Abschluss dieser Versicherung besteht, sollte sie im Rahmen des unternehmerischen Risikomanagements individuell in Betracht gezogen werden. Schließlich ist die Vertrauensschadenversicherung bei verschiedenen Risikoträgern verfügbar, sowohl innerhalb der Kreditversicherungsabteilungen als auch in den Financial Lines-Einheiten, was ihre Bedeutung als Ergänzung zur D&O und Vermögensschadenhaftpflichtversicherung weiter untermauert.
Auch im Kontext einer Cyberversicherung kann die Abgrenzung problematisch sein. Die Vertrauensschadenversicherung schützt Unternehmen gegen Vermögensschäden durch vorsätzliche unerlaubte Handlungen von Mitarbeitern und Dritten. Im Gegensatz dazu gewährt die Cyberversicherung Schutz vor IT-bezogenen Schäden, wie Datenverlust oder Funktionsstörungen infolge von Cyberangriffen. Die Cyberversicherung umfasst dabei auch die Vermittlung von IT-Dienstleistern und deckt diverse Kosten ab, was zu Überschneidungen mit der Vertrauensschadenversicherung führen kann. Letztere deckt bestimmte Fälle von Datenmissbrauch schon länger ab, ist aber in ihrem Umfang begrenzter ist. Auch im Falle eines Cyberangriffs, der auch zu einem Vermögensabfluss führt, wie beispielsweise beim Fake President Fraud, bietet die Cyberversicherung Schutz für die Wiederherstellung der Daten und Betriebsunterbrechung, während die Vertrauensschadenversicherung den resultierenden Vermögensschaden abdeckt.
Andererseits bieten Zusatzbausteine in der Cyberversicherung, die Vermögensschäden durch Cyberangriffe abdecken, keine vollständige Lösung im Vergleich zur spezifischen Absicherung der Vertrauensschadenversicherung, die auch in komplexen Fällen greift.
In der Praxis schließen qualifizierte Subsidiaritätsklauseln solche Schäden aus, die potenziell durch andere Versicherungen gedeckt sein könnten. Dies gilt nicht, wenn kein anderweitiger Versicherungsschutz aufgrund von Versäumnissen beim Abschluss oder der Pflege des Versicherungsvertrages. Diese Klauseln sollen sicherstellen, dass die Vertrauensschadenversicherung nur für spezifische, ihr zugehörige Risiken aufkommt und nicht in direkten Wettbewerb mit anderen Versicherungsarten tritt. An diese Klauseln sind allerdings Transparenzanforderungen zu stellen, um den Versicherungsschutz nicht unverhältnismäßig zu beschränken.
Die Vertrauensschadenversicherung bietet Unternehmern eine wichtige und hochwirksame Deckung für Fälle der Schädigung durch eine Vertrauensperson. Angesichts der Vielfalt und Komplexität der möglichen Szenarien eines Versicherungsfalles benötigen interessierte Unternehmer einer professionellen Beratung bei der Auswahl der Police. Durch die Analyse der spezifischen Risiken ist ein Risikoprofil zu erstellen, auf dessen Grundlage die Auswahl der Police zu erfolgen hat.
Zudem sind in den AVB oft besondere Ausschlüsse (wie bei bekannter Vertrauensunwürdigkeit einer Person) oder Einschränkungen des versicherten Vermögensschadens vorgesehen. Insbesondere trifft dies zu für mittelbare Schäden wie entgangener Gewinn oder Bußgelder. Auch die Nichteinhaltung von Obliegenheiten durch den Versicherungsnehmer - vor allem Auskunfts- und Meldeobliegenheiten und Obliegenheiten zur Ermittlung der Vertrauenswürdigkeit - oder Sicherheitsvorschriften kann den Deckungsumfang mindern, bzw. den Versicherungsschutz vollständig ausschließen.
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